Raum 1 – Ankommen

20.10.2021 Team LWL-Preußenmuseum

Grafik zum Raumthema Ankommen

Raumtext

Eine Szene, die wir erwarten?

1771 wird ein kleiner, unscheinbarer Mann an einem Stadttor kontrolliert. Der preußische Grenadier rechts im Bild verkörpert hier die preußische Staatsmacht. Er erscheint neben ihm noch einmal größer als ohnehin. Der Offizier links im Bild wirkt distanziert, aber erweist mit seinem gezogenen Hut durchaus Respekt. In der Mitte sehen wir Moses Mendelssohn, den Wegbereiter der jüdischen Aufklärung.

Moses Mendelssohns Examen am Berliner Thor zu Potzdam,1792, Kupferstich nach Chodowiecki, akg-images.

Gerade weil der preußische Staat in seinen Gebietsteilen, seiner Bevölkerung, Mentalität und seinen Strukturen sehr verschiedenartig war, übte er das Toleranzprinzip aus, um einen Zusammenhalt aller Teile zu erreichen. Die Wege und Bedingungen des Ankommens waren jedoch sehr unterschiedlich: Für Hugenotten, Salzburger, Waldenser und Juden galten ganz unterschiedliche Willkommenskulturen. Manche erhielten Privilegien, oft aber auch Beschränkungen. •

Edict wegen der Bettel- und Pack-Juden. Cleve den 12. Decembris 1720; LWL-Preußenmuseum Minden, Inv. Nr. Mi-S-003-2021.

Edict wegen der Bettel- und Pack-Juden

„Da auch … hiesige… Judenschaft … sich beschweret daß Frembde… Juden hin und wieder in Städten und Flecken mit ihren Waaren hausiren (…).“

Erneuertes und geschärftes Edict, daß gar keine Bettel-Juden mehr eingelassen, sondern sofort an der Gräntze zurück gewiesen werden sollen. Berlin, den 9. Septembr. 1738, LWL‑Preußenmuseum Minden, Inv. Nr. Mi-S-005-2019-18.

Erneuertes und geschärftes Edict [gegen die] Bettel-Juden

„Daß allen und jeden Bettel- Juden beyderley Geschlechtes in Unseren sämtlichen Landen nicht allein der Aufenthalt sondern auch ohne Unterschied (…) die Durchreise nicht verstattet (…) werden solle.“

Edict bezüglich der Judensteuern, Cleve, den 1. July 1719; LWL-Preußenmuseum Minden, Inv. Nr. Mi-S-004-2021.

Edict bezüglich der Judensteuern

„Von kleinen als großen Summen ein mehreres nicht als 8. Pro Cent zur Juden Zinße genohmen und gefordert werden solle.“

C.D. Küster, Kleine Preußische Länderkenntniß. Ein Lehrbuch. Magdeburg, Dessau 1782, LWL‑Preußenmuseum Minden, Inv. Nr. Mi-S-028-2002.

Kleine Preußische Länderkenntniß

„Juden sind in Westpreussen sehr viele, in Ostpreussen leben weniger, in Berlin und Halberstadt sind sie zahlreich; auch in einigen anderen Städten, wohnet eine bestimmte Zahl israelitischer Familien. Überhaupt wird in den preußischen Landen keine Religionsparthey verfolgt, so lange ihre Bekenner ruhige und nützliche Bürger sind.“

Detail: C.D. Küster, Kleine Preußische Länderkenntniß. Ein Lehrbuch. Magdeburg, Dessau 1782, LWL‑Preußenmuseum Minden, Inv. Nr. Mi-S-028-2002.
Eduard von Bendemann, Trauernde Juden im Exil, um 1830/50, Ölgemälde, Original 28 × 44,5 cm, LWL-Museum für Kunst und Kultur Münster, Inv. Nr. 1535 LG.

Trauernde Juden im Exil

Das im 19. Jahrhundert oft reproduzierte und kopierte religiöse Historienbild von Bendemann knüpft an die Geschichte der Juden im babylonischen Exil an. Es stellte den Bezug zum biblischen Psalm 137 her: „an den Wassern zu Babylon saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten“.
Die Männerfigur in der Bildmitte stellt den Propheten Jeremia dar, den Dichter der Klagelieder. Das Gemälde zeigt die Trauer und Verzweiflung um die verlorene Heimat. Denn: Ankommen hat oft mit dem (unfreiwilligen) Verlust der alten Heimat zu tun.

Joseph Friedrich August Darbes, Porträt von Daniel Itzig, Berlin 1787, farbige Kreiden auf Leinwand, Originalblatt 60,6 × 46,6 cm, Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv. Nr. VII 59/455x.

Mirjam und Daniel Itzig

Friedrich der Große ernannte den Münzunternehmer und Oberhofbankier Daniel Itzig zum obersten Repräsentanten der Juden in Preußen. Er betätigte sich auch im Bereich des Berg- und Hüttenwesens, der Lederfabrikation und als Gutsbesitzer.
Itzig gründete 1778 die erste jüdische Freischule und förderte junge Intellektuelle. 1791 erhielt seine Familie das Naturalisierungspatent – eine Art Einbürgerungsurkunde – zur rechtlichen Gleichstellung als preußische Untertanen.

Joseph Friedrich August Darbes, Porträt von Mirjam Itzig, Berlin 1787, farbige Kreiden auf Leinwand, Original gerahmt unter Glas 60,5 × 46,5 cm, Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv. Nr. VII 59/456x.

Mirjam und Daniel Itzig waren dem jüdischen Glauben und seinen Traditionen eng verbunden, waren aber andererseits dem Gedankengut der Aufklärung zugewandt, in dem sie ihre 15 Kinder erzogen.

Kategorie: Ausstellung

Schlagwort: digitale führung