Blau, Rot, Lila, Grün – ein Lichtkegel, eine leuchtende Farbe pro Ausstellungsraum: Die Ausstellung „Jüdisch? Preußisch? Oder was?“ ist bunt, der Korridor erstrahlt in allen Farben des Regenbogens. Von diesem Korridor ab, im zweiten Raum rechts, treten die Besuchenden in einen Kreis aus satt gelbem Licht. Gelb, eine schöne Farbe: In der aktuellen Farbpsychologie für Marketing und Werbung charakterisiert man sie als „optimistisch und dynamisch“. Sie verbreite, so heißt es „gute Laune und liefert Energie.“1 „Jüdisch? Preußisch? Oder was?“ erzählt jüdisch-preußische/ preußisch-jüdische Beziehungsgeschichte wohltuend und überraschend bunt und gut gelaunt. Gelb ist in dieser Beziehungs- und Verflechtungsgeschichte allerdings nur auf höchst unangenehme Weise – nämlich über das „Verächtlich-“ und „sich Lustig-“ machen mit „guter Laune“ verknüpft: Und so ist auch „Verspotten“ das Verb, das den Raum in der Ausstellung übertitelt. Die anderen Räume stellen mit „Hoffen“, „Lernen“, „Beten“, „Kämpfen“ und weiteren Begriffen jüdische Preuß:innen als Akteur:innen vor. Beim „Verspotten“ sind andere in Aktion: Antisemitischer Spott ist ein Mittel um Juden und Jüdinnen als „Andere“ zu markieren, um sie auszuschließen aus dem „Wir“ – aus einer vorgestellten „eigenen“ (preußisch, deutsch, arisch o.a. definierten) Gemeinschaft. In diesem Raum geht es also um Ausschlüsse in der jüdisch-preußischen Beziehungsgeschichte, um die Kennzeichnung und Diffamierung von jüdischen Preuß:innen.
Die Farbe Gelb hat eine lange antisemitische Tradition. Sie wurde jahrhundertelang genutzt um Juden und Jüdinnen visuell als „Anders“ und „Fremd“ zu markieren. In der mittelalterlichen Symbolik war die Farbe Gelb mit sehr anderen Zuschreibungen verbunden als in der heutigen Werbepsychologie: Gelb stand für Ekel, Krankheit und Schande. War Gelb schon im frühesten Mittelalter im arabischen Raum zur Kennzeichnung von Juden und Jüdinnen genutzt worden, zwangen ab 1067 auch in verschiedenen christlichen Regionen Verordnungen die jüdisch gläubigen Menschen dazu, eine gelbe Markierung wie ein Band oder einen Flicken auf der Kleidung zu tragen. 1215 forderte schließlich der Papst die sichtbare Kennzeichnung jüdischer Menschen. Mit gelben, roten oder rot-weißen Flecken, Ringen oder Kopfbedeckungen mussten sich Jüdinnen und Juden nun in ganz Europa als „Andere“ erkennbar machen. Insbesondere der gelbe Fleck war schließlich in der frühen Neuzeit weit verbreitet. In Preußen wurde erst 1790 die Kennzeichnungspflicht aufgehoben. Die Nationalsozialist:innen griffen auf diese alte Tradition zurück, als sie 1941 die Verpflichtung einführten, einen gelben Stern auf der Kleidung zu tragen.2
Die heutige Marketingwelt ist sich zwar einer historischen Verbindung der gelben Farbe zu negativen Begriffen wie Feigheit oder Krankheit bewusst, dies wird jedoch vorwiegend auf die Signalwirkung der Farbe bezogen, die auch Gefahr signalisieren könne und somit in der Werbung Aufmerksamkeit verspreche.3 Gefahr sollte wohl auch die Kennzeichnung der Juden und Jüdinnen signalisieren. Als überaus gefährlich erwiesen sich allerdings über Jahrhunderte einzig die Protagonist:innen der Judenfeindschaft: Die Akteur:innen von spottendem und/oder körperlich gewaltvollem bis hin zu mörderischem Antisemitismus, die auch Preußens Alltagskultur prägten. Trotz der Anerkennung der Staatsbürgerschaft für Jüdinnen und Juden war diese Kultur tief von antijüdischen Ressentiments, Ausschlüssen und Handlungen durchzogen.4
So wie die Bedeutung der Farbe Gelb nicht „einfach gegeben“, sondern kulturell hergestellt und veränderlich ist (also 1450 mit anderem Zuschreibungen verknüpft war, als 1964 oder 2021), ist Judenfeindschaft nichts, was einfach so da oder „einfach gegeben“ ist. Jüdische Menschen als „anders“, „fremd“, „lächerlich“ oder schlimmeres zu kennzeichnen und zu diffamieren, ist immer das Ergebnis von Handlungen konkreter Personen. Die Gleichstellung der Juden wurde in Preußen aktiv bekämpft. Ab den 1870er Jahren gewann ein neuer, auf Rassetheorien begründeter politischer Antisemitismus an Einfluss.